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PIETRO SIBELLO, Head coach bei Alinghi Red Bull Racing

von Quentin Mayerat

Pietro Sibello ist Segelberater bei Alinghi Red Bull Racing. Der zweifache Olympionike im 49er von 2004 und 2008 und frühere Grosssegeltrimmer des America’s-Cup-Finalisten Luna Rossa bringt einen frischen Blick und einen Ozean an Kompetenzen ins Schweizer Team.

Text: Pierre-Antoine Preti
Fotos: Samo Vidic

Worin genau besteht Ihre Rolle bei Alinghi Red Bull Racing?

Ich bin Segelberater. Meine Rolle besteht darin, meine Erfahrung aus dem letzten Cup in ein Team einzubringen, das noch nie auf einer AC75 gesegelt ist. Wir bereiten die Debriefings vor und planen jeweils den nächsten Tag. Ausserdem spanne ich mit dem Design-Team zusammen und koordiniere die Arbeit am Simulator.

Sie sind von Luna Rossa zu Alinghi gewechselt. Wie unterschiedlich sind die Kulturen?

Das Aufeinandertreen von Kulturen, Altersgruppen und Nationalitäten ist für jedes Sportteam eine Bereicherung. Es gehört zu meinen Aufgaben, möglichst viel Nutzen aus meinen bisherigen Erfahrungen zu ziehen

Sie kommen vom olympischen Ski. Die Klasse gilt als Sprungbrett für die grossen Foiler. Können Sie diese Einschätzung bestätigen?

Ja, viele Segler kommen vom olympischen 49er, denken wir an Peter Burling (TNZ) und Francesco Bruni (Luna Rossa). Das Ski eignet sich hervorragend, um das Gleichgewicht zu stärken, die Koordination im Team zu verbessern und zu lernen, wie man den scheinbaren Wind nutzt. Heutzutage gibt es noch andere Klassen mit den gleichen Vorteilen. Viele America’s-Cup-Teilnehmer segeln zum Beispiel auf dem Nacra. Eine Olympiakampagne macht belastbarer und liefert das ideale Know-how für den America’s Cup.

«JE SCHNELLER MAN UNTERWEGS IST, DESTO SCHNELLER MUSS MAN ENTSCHEIDEN.» MIT FOILERN KANN MAN ES SICH NICHT LEISTEN, BEI ENTSCHEIDUNGEN LANGE ZU ÜBERLEGEN,
SIE MÜSSEN UNBEDINGT AUTOMATISIERT WERDEN.

Wie beurteilen Sie das derzeitige Niveau der jungen Schweizer Segler?

Junge Segler sind motivierter und haben mehr Energie. Sie machen unser Team stark. Bei einer America’s-Cup-Kampagne muss man Tag für Tag dazulernen und das Gelernte dann auch umsetzen können. Der Anfang ist zwar schwer, man spürt aber deutlich, wie begierig und schnell die jungen Segler lernen. Bisher stimmt der Zeitplan. Dank des BoatZero konnten wir sofort auf der AC75 trainieren und anschliessend auf den beiden AC40 an unseren Regattakompetenzen feilen. Jetzt sind wir bereit für den nächsten Schritt.

BEI EINER AMERICA’S-CUP-KAMPAGNE MUSS MAN TAG FÜR TAG DAZULERNEN UND DAS GELERNTE DANN AUCH UMSETZEN KÖNNEN.

Und der wäre?

Diesen Herbst erwartet uns ins Barcelona viel Arbeit. Wir nehmen dort die technische Entwicklung an unseren Testbooten, den AC40, wieder auf. Parallel dazu setzen wir die Simulationen sämtlicher Systeme, die auf unserem künigen grossen Boot eingesetzt werden, fort und machen die Power Group leistungsfähiger. Auch wenn deren Mitglieder nicht auf dem kleinen Boot segeln, trainieren sie doch ununterbrochen. Sie müssen zum einen mehr Kra und Kondition aufbauen, zum anderen an der technischen Optimierung der Energieproduktionssysteme für die Manöver mitwirken.

Der Segelsport verändert sich. Die Boote fliegen und die Elektronik spielt eine immer wichtigere Rolle. Wie stehen Sie zu diesem Wandel?

Ich finde ihn sehr positiv. Dem Segelsport erschliessen sich neue Möglichkeiten. Damit meine ich nicht nur den America’s Cup, sondern auch die Hochseeregatten und alle anderen Disziplinen des modernen Segelsports. Die Technologie entwickelt sich rasant weiter und die Boote werden immer schneller. Das bedeutet aber nicht, dass langsamere Bootstypen auf der Strecke bleiben sollen. Verdrängerboote sind taktisch und strategisch o interessanter.

Meinen Sie damit, dass den AC40 taktisch Grenzen gesetzt sind?

Nein, natürlich nicht, aber bei sehr wenig Wind wie in Vilanova kann man taktisch nicht viel ausrichten. Mit dem Rumpf im Wasser lässt sich das Boot kaum manövrieren. Man kann einzig versuchen durchzuhalten und den Rumpf wieder in die Lu zu bekommen. Aber bei normalen Windverhältnissen liefern sich die Foiler dann wieder spannendes Match-Racing. Am Cup wird es sowohl bei den fliegenden Booten als auch bei den langsameren Booten zu Wendeduellen kommen.

DAS WEICHE TUCH DES DOPPELLAGIGEN SEGELS IST GEWÖHNUNGSBEDÜRFTIG.

Auf den AC40 wird erstmals ein doppeltes Grossegel, das sogenannte So-Wing, eingesetzt. Verändert das den Job des Trimmers?

Anfangs ist es kompliziert, weil man ein doppellagiges Segel trimmen muss. Man muss sich erst an das weiche Tuch gewöhnen, denn es unterscheidet sich stark von den bisher eingesetzten festen Flügeln. Aber ansonsten sind sich die beiden Segel sehr ähnlich. Man muss vor allem lernen, mit der Mastdrehung zurechtzukommen, aber ein guter Segler sollte damit keine Mühe haben.

Ein Segler ist halb Maschine, halb Mensch. Wird er bei Manövern noch gebraucht?

Je schneller man unterwegs ist, desto schneller muss man entscheiden. Segler haben immer weniger Zeit zum Nachdenken. Wir können es uns nicht mehr leisten, bei Entscheidungen lange zu überlegen, die Prozesse müssen automatisiert sein und das gelingt mit Elektronik. Allerdings bleibt eine Maschine eine Maschine. Sie gibt dir zwar Zielvorgaben, die Bedingungen ändern sich aber ständig und nur ein Mensch ist in der Lage, schnell zu reagieren, um sich den Bedingungen anzupassen. Deshalb sind Segler auch heute noch unerlässlich, um ein Boot auf Kurs zu halten.

BRAD BUTTERWORTH

«Es braucht mehr Regatten»

In Vilanova und Jeddah wird der America’s Cup auf AC40-Einheitsbooten ausgetragen. Könnte der eigentliche Cup über kurz oder lang zu einem OneDesign-Wettkampf werden?

Nicht, solange ich lebe. Der America’s Cup ist ein Bootsdesign-Wettkampf. An dieser 37. Ausgabe werden schnelle und langsamere Boote am Start sein, genau wie die anderen Male

Heute gibt es zwei Foiler-Regattaserien, den AC und den SailGP. Könnte die eine den anderen eines Tages begraben?

Ich mag den SailGP sehr, er ist fantastisch und sehr gut organisiert. Seit zweieinhalb Jahren nimmt er den Platz in den Medien ein, der durch die Pause beim America’s Cup leer geblieben ist. Das ist nicht gut, denn die Cupper sind teuer und die Budgets hoch. Diese Investitionen werden nicht genügend rentabilisiert. Wir müssen einen besseren Job machen und mehr segeln. Konkret heisst das: Es braucht mehr Zwischenregatten.

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