Radical art

Interview: Quentin Mayerat

Man spürt es: Balz Müller geht voll und ganz im Windsurfing auf. Überall im Netz trifft man auf den Schweizer Surfer mit dem ungewöhnlichen Stil und kann sehen, wie er mit seinem Foil auf den Wellen tanzt wie kein anderer. Neben seinem revolutionären Ansatz verbindet uns mit ihm indes seine endlose Suche nach dem «Geist» des Windsurfens.

Deine Bilder und Videos erobern die Windsurf-Welt, dein Stil lässt niemanden unbeeindruckt. Was genau ist der Stil von Balz Müller?

Auf jeden Fall ist er besser als meine Resultate! Er nennt sich Radiculo, was auch mein Spitzname ist, und geht zurück auf die Zeit, in der ich begann, den Culo zu springen. Ich habe stets versucht, Kraft in diesen Trick zu legen, und ich liebe starken Wind, daher die Zusammensetzung aus «radical» und «culo». Später habe ich einige Moves erfunden, wie den Shifty. Alle sagten mir damals, dass es unmöglich sei, dieses Manöver hinzubekommen. Also habe ich Steven van Broeckhoven motiviert und wir haben es 2014 in Kapstadt geschafft. So entstand also mein Shifty! Was für mich wichtig ist, ist die Kreativität. Als Kind habe ich mit Lego Windsurfen gespielt, ich träumte von Moves und ich träume übrigens immer noch von neuen Figuren. Manchmal wache ich auf und sage mir: «Mensch, das müsste man mal ausprobieren!» Häufig träume ich sogar von Vorwärtsloops mit unendlich vielen Umdrehungen! Ich liebe es, mir Figuren zu überlegen, sie mir in 360 Grad vorzustellen, bevor ich etwas ausprobiere.

„Es ist nicht mein Traum, Weltmeister zu werden, sondern auf neuen Brettern zu surfen, neue Spots zu erkunden, neue Figuren auszuprobieren… das ist mein Traum!“

Findest du dich mit dem derzeitigen Bewertungs-system der Freestyle-Wettbewerbe zurecht? 

Das ist wirklich schwer zu beurteilen, da es ja so viele verschiedene Stile gibt. Für mich bedeutet Freestyle zunächst «free spirit», d. h. die Möglichkeit, neue Moves auszuprobieren. Das Problem des Live-Scorings besteht darin, dass es Listen mit vorab festgelegten Tricks gibt. Dadurch werden die Möglichkeiten eingeschränkt, da die Surfer sich die einfachsten Figuren vornehmen, die die meisten Punkte bringen. Gleichzeitig wurden diese Listen von Surfern erstellt; es liegt also an uns, das zu ändern. Einer meiner Träume ist, dass man Wettbewerbe nach dem Prinzip einer «Super Session» veranstaltet: Alle Windsurfer wären gleichzeitig vor den Augen der Kampfrichter auf dem Wasser und würden in einem vorgegebenen Zeitraum ihre Moves ausprobieren mit dem Ziel, die bisherigen Grenzen des Freestyles zu überschreiten. Ein solches Format könnte, denke ich, zur Weiterentwicklung der Disziplin und unserer Tricks beitragen. Ich glaube, es ist nur eine Frage der Zeit, bis jemand den Triple Forward schafft.

Du sprichst häufig von Suistyle. Was genau meinst du damit?

Bei Freestyle denkt man an Bonaire, die Karibik usw. Doch bei uns sind die Bedingungen härter, es regnet, es ist kalt! Der Suistyle ist meine Art zu zeigen, dass es möglich ist, in der Schweiz Freestyle zu praktizieren. An einigen Spots herrschen hervorragende Wind- und sonstige Bedingungen für das Windsurfen! Durch den Joran in Biel zum Beispiel kann man häufig surfen und und in den Böen ein paar schöne Tricks machen. Mit dem Foil kann ich in der Schweiz 50% mehr surfen. Ohne das wäre es nicht möglich, als Profi im Land zu bleiben. Freestyle mit dem Foil ist sehr schwer und anspruchsvoll. Man hat ein richtiges Segel-Feeling und wenn man danach dann mit einer Finne surft, ist das viel einfacher.

Warum hast du dich auf das Abenteuer mit MB-Boards eingelassen? 

Ich liebe es, Skateboard und Snowboard zu fahren, und die Vorstellung von einem kompakten Board gefiel mir. Übrigens habe ich mir mein eigenes Board mit einer Länge von 1,99 m geshaped, als ich mir meinen Knöchel gebrochen hatte. Dieser Skate-Stil bietet mir viel mehr Möglichkeiten und die Air Moves werden viel einfacher. Bereits bei den ersten Sessions mit MB-Boards habe ich gespürt, dass das genau mein Konzept ist.

Was sind deine Ziele als Windsurfer?

Ich hoffe, dass das Windsurfen wieder zur Trendsportart wird. Man muss etwas an dem Image verändern, es vereinfachen, das Leichtwind-Surfen promoten. Ich hoffe auch, dass das Projekt MB-Boards erfolgreich sein wird, da es ein äusserst revolutionäres Schweizer Konzept ist. Es ist nicht mein Traum, Weltmeister zu sein, sondern auf neuen Brettern zu surfen, neue Spots zu erkunden, neue Figuren auszuprobieren… das ist mein Traum! Ich bin eher Wasser-Freak als Medaillen-Freak. Ich liebe Wellenreiten, Foilsurfen, hohe Wellen – was ich brauche, ist Adrenalin pur. Ich bin auf der Suche nach dem Geist der Anfänge des Windsurfens, dem Funboard und dem Abenteuer!