Paddle, travel, live, paddle again

Text und Fotos: Thomas Oschwal

Seit Tagen sinken die Temperaturen mehr und mehr. Eine eisige Kälte, die meinen Körper durchdringt und mich zur Bewegung zwingt. Mein Leben reduziert sich zunehmend auf zwei Welten. Eine Welt draussen auf dem Stand Up Paddle Board und eine Welt drinnen im Zelt, wo ich meinen Körper im Schlafsack wärmen kann.

Seit fünf Wochen entdecke ich einen der schönsten Nationalparks Finnlands und geniesse die Freiheit und das Abenteuer in der Natur. Ohne Ziel, ohne Zeitvorgabe, einfach nur ich und die Natur. Einen Tag später reise ich wieder nach Hause. Es war weder die Kälte, Dunkelheit oder Einsamkeit, die mich zur Rückkehr bewegte, sondern die Zeit. Mit jedem Tag wurden die Nächte länger und das Tageslicht weniger. Die unproduktive Zeit drinnen im Zelt wurde zur Ewigkeit und das Verlangen aufzubrechen immer grösser. Einen Aufbruch, den ich mir selbst verwehrte, weil ich herausfinden wollte, wie lange ich dem hereinbrechenden Winter trotzen konnte, ohne einem geografischen Ziel entgegen zu paddeln.

Dinge mit neuen Augen sehen

Fünf Wochen verbrachte ich im Kolovesi Nationalparkt, bis ich mir die Frage, ob ein Abenteuer ein Ziel braucht, beantworten konnte. Eine Frage, welche mich ein Jahr zuvor beschäftigte, als ich in der Polarnacht 500 Kilometer von Tromsø ans Nordkap paddelte. Auf der Suche nach dem Nordlicht übernachtete ich ebenfalls bei eisigen Temperaturen im Zelt und hatte jeden Tag nur wenige Stunden Däm-merungslicht. Doch ich hatte ein geografisches Ziel und das machte den Unterschied.

Eine norwegische Redewendung besagt, dass die wirkliche Entdeckungsreise nicht nach neuem Land strebt, sondern danach, Dinge mit neuen Augen zu sehen. Es sind Reisen, welche mich ins Ungewisse führen und spüren lassen, wozu ich fähig bin, wenn ich aus dem alltäglichen Rhythmus ausbreche und neue Wege gehe. Ich habe keine Lust, meinen Blick auf Pfade zu richten, von denen ich im Vornherein weiss, dass sie problemlos möglich sind. Eine Reise, ein Traum oder ein Abenteuer soll niemals die Ungewissheit verlieren und immer die Chance bewahren, etwas scheinbar Unmögliches möglich zu machen. Dieses Streben neue Wege zu gehen, Horizonte zu erweitern und niemals stillzustehen, hat für mich etwas Vollkommenes. Mikroexpeditionen nenne ich diese Reisen. Es sind mehrwöchige Touren, auf denen ich das Abenteuer bewusst nicht fern ab jeglicher Zivilisation suche, sondern viel eher mittendrin. Es sind Reisen, welche viele Aspekte einer echten Expedition beinhalten, aber in einem alltäglichen Umfeld stattfinden. Echte Abenteuer, die mir die Augen für die verges-senen Schönheiten des alltäglichen Lebens öffnen. Es sind Entdeckungsreisen für alle Helden des Alltags.

Auch auf meiner letzten Mikroexpedition habe ich die Herausforderung im alltäglichen Leben gesucht. Bepackt mit einem Stand Up Paddle Surfboard und einem Lastenanhänger machte ich mich auf eine 4000 Kilometer lange Suche nach der perfekten Welle. Zu Fuss und mit einem Skateboard erreichte ich den westlichsten Festlandpunkt Europas in nur drei Monaten. Eine körperliche und mentale Grenzerfahrung und ein langer Weg zu mir selbst. Es ist die Auseinandersetzung mit mir selbst, welche ins Zentrum rückt und nicht der Kick durch eine waghalsige Situation. Ich reise daher auf meinen Touren nicht nur einem Ziel entgegen, sondern auch immer tiefer und tiefer in mich selbst hinein. Eine Welt, welche mein Leben ist und welche ich noch lange erschaffen und formen möchte.

Die Schule braucht mehr Abenteu(r)er

Aufbruch, Erfüllung, Heimkehr. Immer wieder zieht es mich hinaus. In der Routine des Alltages siehe ich eine grosse Gefahr für mein Leben. Als ehemaliger Fotograf und Webdesigner musste ich feststellen, dass mich der Beruf in ein Leben zwängte, das nicht für mich geschaffen war. Die Ausbildung zum Primarlehrer gab mir die Freiheit zurück, welche für mich so wichtig ist. Die Kombination aus Stellvertretungen und Mikroexpeditionen stellte sich kurz darauf als Grundlage für eine neue Selbständigkeit heraus. All die Erfahrungen auf meinen Mikroexpeditionen sind von unschätzbarem Wert für mich. Ich bin überzeugt, dass die Schule als Lernort der Philosophie eines Abenteuers folgen sollte – oder in anderen Worten: Die Schule braucht mehr Abenteu(r)er!

Paddeln für sauberes Trinkwasser

Diesen Sommer starte ich zu einer weiteren Mikroexpedition. Mit dem Stand Up Paddle Board werde ich den kompletten Rhein hinauf paddeln. Ein 1233 Kilometer langer Kampf gegen die Strömung. Ein Kampf, der mir schonungslos zeigen wird, wie beschwerlich und hart der Weg zu sauberem Trinkwasser sein kann. Gleichzeitig möchte ich mindes-tens 1233 Franken für Menschen sammeln, welche den Weg zu sauberem Trinkwasser nicht gehen können, sondern müssen. Unterstütze mich und spende sauberes Trinkwasser