Justine Mettraux war an zwei Projekten gleichzeitig engagiert – und mit beiden extrem erfolgreich. Mit einem 7. Platz an der Route du Rhum startete sie brillant in ihre Vendée-GlobeKampagne. Danach legte sie mit dem Teamsieg am Ocean Race nach. Der Transat Jacques Vabre und der Vendée Globe scheint nichts mehr im Weg zu stehen.

Interview: Pauline Katz

Du hast zwei Projekte parallel geführt. Wie ist es dir gelungen, sowohl am Ocean Race zu segeln als auch deine Vendée-Kampagne voranzutreiben und bei beiden eine so gewaltige Leistung zu zeigen?

Als mein langjähriger Partner TeamWork im August 2022 die Charal 1 kaufte, hatte ich 11th Hour bereits meine Zusage für das Ocean Race gegeben. 11th Hour zeigte Verständnis und gab mir grünes Licht für die Route du Rhum im November, damit ich mein Projekt für die Vendée 2024 aufgleisen konnte. Wenn man parallel für zwei Teams segelt und die gesteckten Ziele
erreichen will, muss man besonders transparent sein und vorausschauend agieren. Ich hatte ein Riesenglück, denn beide Partner haben mitgespielt und mich extrem gut betreut. Mich hat die Doppelbelastung natürlich viel Energie gekostet, denn ich war viel auf dem Wasser und konnte mich kaum einmal ausruhen. Seit der Route du Rhum hatte ich noch keine einzige Verschnaufpause. Aber ich bin dankbar, denn ich habe bei beiden Projekten eine Menge Erfahrung gesammelt, die ich an der Vendée vor allem im Südpolarmeer gut gebrauchen kann.

11TH HOUR RACING, SIEGERTEAM DES PRESTIGETRÄCHTIGEN OCEAN RACE

Du segelst im Team und solo. Was ist dir lieber?

Ich habe diesbezüglich keine Vorlieben. Vielmehr kann ich mich glücklich schätzen, dass ich die Möglichkeit habe, beides zu tun. Ich habe dreimal am Ocean Race, der wohl wichtigsten Offshore-Regatta im Team, teilgenommen und zahlreiche Einhandregatten bestritten. Beide Formate bringen mir enorm viel und ich bin mit der gleichen Energie dabei. Zum Ende der Saison segle ich zweihand mit Julien Villion die IMOCA Globe Series. Ende September starten wir in Lorient am Défi Azimut, danach an der Jacques Vabre. Sie gehört dieses Jahr zu unseren Prioritäten.

JUSTINE METTRAUX UND IHRE IMOCA-JACHT TEAMWORK HABEN SEIT DEM START DER LETZTEN ROUTE DU RHUM GROSSES VOLLBRACHT.

Du bist momentan extrem erfolgreich unterwegs. Wie beurteilst du deine letzten Ergebnisse?

Sehr positiv. 11th Hour wurde Ende Juni der Sieg des Ocean Race auf dem grünen Teppich zugesprochen. Natürlich hätten wir lieber auf dem Wasser gewonnen, aber nach einer Kollision mit einem Konkurrenzboot auf der letzten Etappe mussten wir die Segel streichen. Das Projekt 11th Hour ist für mich abgeschlossen, war aber eine unglaubliche Erfahrung. Mit TeamWork streben wir die Qualifikation für die Vendée Globe an. An der Route du Rhum bin ich das allererste Mal solo auf meiner IMOCA-Jacht TeamWork, der ehemaligen Charal 1 von Jérémie Beyou, gesegelt. Wir konnten uns nur gerade drei Monate vorbereiten. Da wir bei Beyou Racing untergekommen sind, profitieren wir aber vom Wissen und der Infrastruktur des Rennstalls. Dadurch haben wir das Boot auch schneller in den Griff bekommen. Der 7. Platz war eine sehr schöne Belohnung und ein guter Start für meine Vendée-Globe-Kampagne. An unserer letzten Regatta, dem Rolex Fastnet, bin ich mit Julien Villion ebenfalls 7. geworden. Wir waren sehr zufrieden mit diesem Ergebnis, denn die anderen Boote in den Top 10 sind alle neuer.

JUSTINE METTRAUX’ ERSTE EINHANDREGATTA AUF DER IMOCA TEAMWORK

Was steht im Hinblick auf deine Qualifikation für die Vendée 2024 als nächstes an?

Ich muss bei mindestens einer Qualifikationsregatta in der vorgegebenen Zeit ins Ziel kommen. Wir haben uns für die Transat New York – Vendée 2024 entschieden. Bis zum Jahresende konzentriere ich mich auf meine Zweihand-Projekte und dort in erster Linie auf die Transat Jacques Vabre. Deren Rückfahrt zählt auch als Qualifikationsregatta. Ich verzichte trotzdem auf eine Teilnahme, denn ich bin seit zwölf Monaten nonstop im Einsatz. Höchste Zeit, etwas kürzer zu treten. Auf dem Programm steht hingegen die Transat CIC. Bis dahin werden die neuen Foils eingetroffen sein, sodass wir das Rennen in Form einer Überführung im Team bestreiten und die Foils testen können.

JUSTINE METTRAUX HAT MIT DEM 11TH HOUR RACING TEAM ZUM ERSTEN MAL IN IHREM LEBEN DAS KAP HOORN GERUNDET

Du setzt dich mit dem Magenta Project für mehr Geschlechtergleichheit im Segelsport ein. Was habt ihr bereits bewirkt und was plant ihr noch?

In den letzten Jahren gab es viele positive Entwicklungen, aber der Weg bis zu einer echten Geschlechtergleichheit im Segelsport ist noch ein weiter Weg. Bei immer mehr Rennen sind
gemischte Teams ein Muss, was den Seglerinnen neue Chancen eröffnet. An der Transat Paprec und dem Plastimo Lorient Mini (PLM) zum Beispiel sind Mixed-Teams Pflicht. Am Anfang dachten viele, dass das nie funktionieren würde und dass sich nicht genügend Frauen melden würden. Diese Bedenken haben sich als völlig unbegründet herausgestellt. Das PLM war mit 80 starken Paarungen ausgebucht. Mit dem Magenta Project bieten wir auch ein Mentorenprogramm an. In diesem Jahr konnte ich aufgrund meiner beiden parallel laufenden Projekte nicht daran teilnehmen, aber ich bleibe mit einigen jungen Seglerinnen, die ich betreut habe, in Kontakt. Sie wissen, dass sie sich bei Fragen immer an mich wenden können. Das ist in einer jungen Karriere hilfreich. Mit TeamWork haben wir vereinbart, dass wir immer eine Frau an Bord haben, insbesondere auch bei den Überführungsfahrten. Das ist ein kleiner Schritt, aber die Anhäufung solcher Initiativen kann Grosses bewirken.