Das Rösti Sailing Team hat alle Hände voll zu tun. Nach dem Normandy Channel Race, dem Les Sables-Horta-Les Sables im Frühling und dem Fastnet diesen Sommer bestreiten die beiden Vollblutsegler im November auf der Banque du Léman die Transat Jacques Vabre. Trotz übervollem Terminplan haben sie Zeit für ein revolutionäres Projekt gefunden: die Sailing Academy.

Text: Jean-Guy Python

Wir konnten uns Anfang August, wenige Tage vor dem Start zum Rolex Fastnet, mit den Schweizer Seglern unterhalten und haben ihnen dabei auf den Zahn gefühlt: Welche Bilanz ziehen sie aus der bisherigen Saison und woraus genau besteht ihr Sailing-Academy-Projekt?

Wo stehen Sie in Ihren Vorbereitungen auf die Jacques Vabre?
Valentin Gautier: Wir haben unsere Saison ganz normal fortgesetzt. Nachdem wir Anfang 2021 viel trainiert und an mehreren Regatten wie dem Normandy Channel Race und dem Les Sables-Horta-Les Sables teilgenommen haben, wurden in diesem Sommer umfangreiche Arbeiten an der Banque du Léman durchgeführt. Das Boot wurde trockengestellt, kielgeholt und abgemastet und das Rigg überprüft – das volle Programm also. Ausserdem haben wir das J1 auf einen Rollreff gesetzt, um die Manöver zu erleichtern. Das wird sich spätestens an der Route du Rhum auszahlen. Böse Überraschungen gab es zum Glück keine. Wir wollten die Änderungen vor dem Rolex Fastnet vornehmen, damit wir alle neuen Teile vor der Jacques Vabre testen können.

Das sailling rösti team hat am Normandy channel race und am les sables-horta-les sables wichtige erkenntnisse über seinen segelstil gewonnen

Wie haben Sie die beiden ersten Vorbereitungsrennen erlebt?
Simon Koster: An der Les Sables-Horta-Les Sables wurden wir 4. Wir sind sehr stolz auf dieses Ergebnis, denn strategisch haben wir gute Arbeit geleistet. Wir mussten hart kämpfen, um wieder zu den beiden führenden Booten aufzuschliessen, die bereits in der ersten Nacht davongezogen waren. Dank guter strategischer Entscheidungen ist es uns gelungen, etwas Boden gutzumachen. Wir sind daher mit unserem Abschneiden zufrieden.

Wurden Sie durch diese Vorbereitungsrennen enger zusammengeschweisst?
Valentin Gautier: Schwer zu sagen. Ich habe eher den Eindruck, dass das Gegenteil der Fall war. Am Normandy Channel Race waren wir von uns enttäuscht. Wir haben nicht wie geplant gekämpft und wurden 5. An der Les Sables-Horta-Les Sables wussten wir schon in der ersten Nacht, dass wir es nicht aufs Podest schaffen würden. Dabei wurde uns klar, dass wir disziplinierter segeln müssen. Bisher haben wir die Dinge auf uns zukommen lassen und sind intuitiv gesegelt. Jetzt wissen wir, dass wir nicht darum herumkommen, strukturierter vorzugehen.
Simon Koster: Wir haben uns gefreut, dass wir am Rolex Fastnet wieder einmal mit einem grösseren Team segeln konnten und haben viel von Alan Roura und Alan Pennaneach von der Segelmacherei North gelernt. Die Regatta versprach mit ihren 39 gestarteten Class40-Jachten spannende Kämpfe. Da wir an der Jacques Vabre mit einem neuen Spi antreten wollen, haben wir am Fastnet einen Spezialisten von North an Bord genommen.

Die beiden skipper wollen talentierten nachwuchsseglern den sprung in die offshore-elite ermöglichen

2022 nehmen Sie an der Route du Rhum teil. Es wird bestimmt schwierig, den Skipper für diese Einhandregatta zu bestimmen.
Valentin Gautier: Wir sind zwei Skipper für ein Boot, also bleibt uns nichts anderes übrig, als eine Entscheidung zu treffen. Doch obwohl nur einer von uns an Bord sein wird, werden wir als Team funktionieren. Alles, was danach folgt, gehen wir gemeinsam an. Wir sind gerade dabei, ein grosses Projekt aufzugleisen, das im nächsten Jahr starten soll. Ich werde mich intensiv darum kümmern, sodass sich Simon auf die Route du Rhum konzentrieren kann.

Worin besteht dieses Projekt?
Valentin Gautier: Bei der Schweizer Nachwuchsförderung für Hochseesegler fehlt eine Stufe. Junge Talente, die eine Offshore-Karriere anstreben, landen relativ schnell beim Genfer Centre d’Entraînement à la Régate (CER). Für Jollen- und Olympiaklassen gibt es in den Clubs für die Jüngsten gut etablierte Ausbildungsstrukturen. Wer anschliessend auf foilenden Katamaranen oder anderen Mehrrumpfbooten weitermachen möchte, findet auf unseren Seen mit den M2, den TF35 und früher den D35 alles, was er braucht. Die Strukturen für eine Segelkarriere sind also durchaus vorhanden. Für den Sprung in die Hochseeszene fehlt allerdings eine Stufe. Wir wollen diese Lücke mit einem Talentförderprogramm schliessen, ähnlich wie das CMB in der Bretagne macht. Dazu werden wir alle zwei Jahre eine Talentsichtung durchführen und einem jungen Skipper oder einer jungen Skipperin die Möglichkeit bieten, an einem schlüsselfertigen Projekt teilzunehmen.

Sie bauen also ein Exzellenzprogramm für Hochseesegler auf?
Valentin Gautier: Auf diesem Modell wollen wir aufbauen, ja. Wir planen, die Swiss Offshore Sailing Academy (Anm. d. Red.: provisorischer Name) in Lorient anzusiedeln. Im Moment gibt es aber noch nichts Konkretes. Wir diskutieren viel darüber und haben schon viele Kontakte geknüpft. Das Potenzial im olympischen Segeln und im CER ist riesig. Wir wollen dieses Talentbecken nutzen, um künftige Hochseecracks zu finden. Längerfristig planen wir, den beiden alle zwei Jahre ausgewählten Nachwuchshoffnungen zwei schlüsselfertige Mini-TransatTeilnahmen anzubieten, eine bei den Serienbooten, die andere bei den Prototypen. Sie sollen die Möglichkeit erhalten, anschliessend für zwei Saison bei den Class40 zu segeln. Wenn es uns gelingt, diese Offshore Sailing Academy aufzubauen, bilden wir Segler aus, die mit vier Jahren Hochseeerfahrung bei den Mini und den Class40 in die Szene einsteigen und zum Abschluss ihrer Ausbildung vielleicht sogar an der Jacques Vabre teilnehmen. Dabei erwerben sie die nötigen Fähigkeiten für den Skipper-Beruf und verfügen über das Rüstzeug für eine erfolgreiche Profi-Karriere.