Das Gunboat 68 als Fahrtenversion? Seit 2019 wurden fünf Gunboat 68 eingewassert. Die Katamarane, die bekannt dafür sind, dass sie eine an Rennkats heranreichende Leistungsfähigkeit mit Luxus und Komfort vereinen, galten lange Zeit als extrem. Wir haben uns ein eigenes Bild gemacht mit der jüngsten Einheit, die erst kürzlich die Werft verlassen hat. Unser Eindruck: ein zwar gezähmtes Gunboat, mit dennoch bemerkenswerten Segeleigenschaften.

Text: Quentin Mayerat

13 Knoten Windgeschwindigkeit vor La Grande-Motte, wir segeln 45 Grad am Wind. Unser genialer Untersatz, der modernste Schiffbautechnik mit erstklassigem Luxus und edelstem Design vereint, gleitet mühelos mit 12 bis 12,5 Knoten dahin, und das mit einem 123 m2-J0 bei ungerefftem Gross. Nicht schlecht für ein im beladenen Zustand etwa 23-25 Tonnen schweres Baby. An Bord verfügen wir über erhebliche Kühlreserven, eine Küche mit grosszügiger Arbeitsplatte, eine Waschmaschine, einen Geschirrspüler und einen Generator. Last but not least besitzt dieser schöne blaue Katamaran eine Klimaanlage, was seine Eigner freuen wird, sollten sie erst einmal in der Karibik angekommen sein!

08/0003/2019, La Grande Motte (FRA,84), Gunboat 68

Besonderes Feature: ein Weinschrank

«Bislang entschieden sich die Eigner stets für eine leistungsorientierte Ausstattung: auf bis zu 29 Meter verlängerte Maste, verlängerte Bäume, Gewichtseinsparungen an verschiedenen Stellen der Konstruktion usw. Doch beim BreakFree (Name des getesteten Katamarans, Anm. d. Red.) ist alles zu 100 % auf eine Fahrtenversion ausgerichtet», erklärt uns Benoît Lebizay, Managing Director der Werft. Konkret bedeutet das, dass dieses Fahrten-Gunboat leicht vereinfacht und zwangsläufig etwas schwerer als seine Vorgänger ist. Der Mast misst 25 Meter, die Segelgarderobe ist bescheidener. So kommt diese Version beispielweise ohne grossen Spinnaker aus und besitzt dafür «nur» einen A3, der mit 250 m2 trotzdem ganz ordentlich ist. Verzichtet wurde auch auf den drehbaren Mast, der manche Crews vor Herausforderungen stellt. Zum vorderen Cockpit führt nur eine Türund nicht zwei, wie auf dem Originalplan – was zu mehr Stauraum in der Küche führt und in diesem Fall die Unterbringung eines Weinschrankes ermöglicht hat!

Wespentaille

Unser Gunboat lässt also in Sachen Annehmlichkeiten an Bord keine Wünsche offen. Und dennoch ist seine Leistungsfähigkeit für einen Katamaran mit dieser Ausstattung aussergewöhnlich. «Einheiten gleicher Grösse unserer Konkurrenten, die nicht so viel Wert auf Leistung legen, können locker das Doppelte an Gewicht erreichen», erklärt Benoît Lebizay.

05/02/2019, La Grande Motte (FRA,34), Gunboat 68 sail testing #2

Die 23 Tonnen unseres BreakFree sind das Ergebnis intensiver Arbeit an Konstruktion, Bauweise und Materialien. Die Rümpfe bestehen zu 100 % aus im Infusionsverfahren verarbeiteten Kohlefasern, die Schotten aus Carbon-Prepreg. Das Deckshaus ist stark zurückversetzt, eher niedrig und nicht sehr gross. Die Gewichtseinsparungen beim Mobiliar sind ebenfalls bemerkenswert: Alle Platten, Tische und Schubladen bestehen aus Nomex-Wabenkern, einem korrosionsbeständigen, superleichten und hochfesten Material auf der Basis von Aramidfasern.

Steuern? Kein Problem!

Im Steuerstand dieses 68-Fuss-Katamarans fühlt sich alles erstaunlich edel an. Die Radsteuerung im vorderen Bereich des Salons überrascht zunächst, ist aber kein Problem. «Zu Beginn mochte ich das überhaupt nicht», gesteht Loïck Peyron, Fachberater der Grand Large-Gruppe. «Doch meine ersten Fahrten mit dem Gunboat haben mich überzeugt. Man fährt ja nicht ständig nach Spitzbergen. Man plant doch eher Törns um die ganze Welt – dorthin, wo das Wetter schön ist. In 90 % der Fälle schaltet man auf so einem Boot den Piloten ein. Eine Pinnenoder Radsteuerung an der Rückseite der Schwimmer ist optional möglich. Man tippt sie vielleicht mal kurz an und das war’s dann. Danach übernimmt der Pilot die Arbeit.»

05/02/2019, La Grande Motte (FRA,34), Gunboat 68 sail testing #2

In der Einzigartigkeit des Gunboats liegt zugleich seine Stärke. Bei diesem Layout können alle Manöverelemente zentral am Mastfuss untergebracht werden. Die Längsachse des Bootes wird somit perfekt genutzt. Der Trimm der Vorwindund Amwindsegel erfolgt aus dem hinteren Bereich vom Salon aus. Nur zwei Schoten werden auf die Achterwinschen geführt, ohne die Relaxbereiche zu beeinträchtigen. Der Steuerstand im vorderen Bereich des Salons beherbergt eine Vielzahl an Elektround Hydrauliksteuerungen: für das Grosssegel, Traveller usw. Dank der Fenster und der Tür gegenüber vom Steuerrad hat der Steuermann in zentraler Position zwischen vorderem und hinterem Bereich des Katamarans den perfekten Überblick. «Der weitere Vorteil dieser Anordnung am Mastfuss besteht darin, dass deutlich weniger Drähte und Seile erforderlich sind und eine Gewichtszentrierung erfolgt», erläutert Loïck Peyron. Das Frontcockpit ist so konzipiert, dass ein oder zwei Crewmitglieder den Katamaran sicher steuern können. Alles ist sehr übersichtlich, eine ganze Reihe von Tauen wird über ein Rinnensystem in den Manövrierbereich geführt. Sämtliche Segel (auch das A3) sind auf Rollreffanlagen und mit einem Hakensystem ausgestattet. Die Elektrowinschen sind alles andere als Spielzeug: binnen wenigen Sekunden lassen sich immense Segel hissen.

Schnell und sicher

Das kleine Prachtstück, das mit einer kompetenten Crew eine Durchschnittsgeschwindigkeit von über 20 Knoten erreicht, eignet sich durchaus auch für eine sportlichere Fahrweise. Die symmetrischen Schwerter, die bei allen Geschwindigkeiten ausgefahren bleiben können und maximal 3,75 m ins Wasser ragen, und die Selbstwendefock (J2) erleichtern die Abläufe im Manöver. Für die Sicherheit ist unser Katamaran mit einem Lastsensor an den Wanten und einer Trägheitsmesseinheit, die den Krängungswinkel misst, ausgestattet. Je nach Einstellung – Fahrtenoder sportlicher Modus – wird das Grosssegel bei Erreichen der Grenzwerte automatisch gefiert.Durch die immensen Anpassungsmöglichkeiten an die Kundenwünsche, die die Werft bietet, sind überaus stimmige Zusammenstellungen möglich – ganz im Einklang mit der Nutzung des jeweiligen Eigners. Mit diesem fünften 68er hat Gunboat den Hebel ganz auf Fahrtenkatamaran umgelegt, ohne das zu vernachlässigen, was seine DNA ausmacht: die Geschwindigkeit.