Wer Boote baut, die per Definition in der Natur unterwegs sind, stellt sich gezwungenermassen die Frage nach deren Auswirkungen auf die Umwelt. Die Werften gehen das Problem auf verschiedene Arten an.

Text ) François Trégouët

Die Offshore-Szene gilt als Brutstätte für Innovationen, ist aber nicht unbedingt dafür bekannt, dass sie mit grünem Beispiel vorangeht. Mit dem steigenden Umweltbewusstsein häufte sich die Kritik an den Herstellern. Die IMOCA-Klasse zum Beispiel sorgte wiederholt für Ne gativschlagzeilen, weil der Bau eines 60-Füssers aus Kohlefaser ein ökologischer Wahnsinn ist. Sie reagierte und erklärte die Erstellung ei ner Ökobilanz für jedes neue Boot für obligatorisch. Dabei werden die potenziellen Umweltauswirkungen und die Energiebilanz von Produkten während des gesamten Lebenszyklus, das heisst von der Herstellung bis zur Verwendung, untersucht.
Ein Blick in den vom amerikanischen 11th Hour Racing Team veröffent lichten Bericht zeigt: Nicht einmal die Konzeptphase war so CO2 -neutral, wie man geglaubt hatte. Sie verursachte immerhin 3 Prozent der Emis sionen, denn Berechnungen, Studien, Server, Computer und Datenüber mittlungen sind extrem energieintensiv. Möglich wäre eine Netto-Null- Bilanz aber schon, vorausgesetzt, man nimmt die Dienste eines Providers in Anspruch, der grüne Energie verwendet. Da Strom ein wei terer wichtiger Posten (32%) im Produktions prozess ist, könnte die gesamte Branche ihren CO2 -Fussabdruck um ein Drittel reduzieren, wenn sie 100 Prozent erneuerbare Energie nutzen würde.

Windelo-Katamarane aus Basaltfasern
Jüngere Unternehmen wie die katalanische Werft Windelo haben Umweltaspekte von An fang an einbezogen. Firmengründer Olivier Kaufmann erinnert sich noch genau, dass sie den gesamten Lebenszyklus des Bootes unter die Lupe nahmen. Dabei stand die Frage im Vordergrund: «Wo können wir die grössten Fortschritte machen?» Heute liegt die CO2 -Bilanz des Verbundwerkstoffs, aus denen die Windelo-Katamarane gebaut werden, 47 Prozent tiefer als bei der traditionellen Herstellung aus PVC-Schaum und Glasfaser. Möglich macht diesen Gewinn der Einsatz von Basaltfa sern, deren Produktion zehnmal weniger Energie als Glas bindet, sowie der 50-prozentige Anteil von PET-Schaum aus recycelten Plastikflaschen. Die deutsche Firma Greenboat bietet natürliche, recycelte und in jedem Fall wiederverwertbare Materialien an, mit denen sich Kosten, Perfor mance und Nachhaltigkeit der Leichtbaukomponenten optimieren lassen. Um die technische Machbarkeit ihres Angebots zu demonstrieren, das bei gleichen oder besseren mechanischen Eigenschaften eine Reduktion der Treibhausgase um 80 Prozent verspricht, baut sie die Jacht Flax 27.

Der holländische Bootshersteller Vaan Yachts wiederum setzt auf Alu minium. Die Rümpfe werden zu über 50 Prozent aus recyceltem Alumi nium angefertigt, einige Teile haben sogar einen Aluminiumanteil von 75 Prozent, und natürlich sind die Katamarane vollständig recycelbar. Für eine Aluminiumkonstruktion braucht es auch keine Formen, sodass hier mit Umweltschutz sogar Kosten gespart werden. Auch Multicat Al garve verzichtet auf Formen und bringt die Katamaran-Reihe Punch mit einem umweltbewussten Konzept neu heraus. Die Rümpfe werden im Strip-Planking Verfahren gefertigt und das Deck ist eine Sandwichkons truktion aus biobasiertem PET-Schaum und Harz.

Eine Outremer aus Flachs
Bei Outremer stehen Leinenfasern im Mittelpunkt. Roland Jourdain war der erste, der mit seiner Firma Kaïros auf Flachs setzte. An der letzten Route du Rhum segelte er mit seiner 5X-Jacht, deren Deck aus diesem Material bestand, in seiner Kategorie auf den zweiten Platz. «Leinen fasern benötigen je nach Modul fünf- bis zehnmal weniger Energie als Glasfasern, speichern dabei CO2 und ge ben am Ende sogar noch Energie ab», erklärt Jourdain sichtlich begeistert. Dennoch gibt er sich zurückhaltend, denn bislang macht die dritte Komponente des Sandwichbaus, näm lich das Harz, das Recyceln problematisch.

13/09/2022, Le Lavandou (FRA,83), Beneteau, First 44

Das Beneteau-Projekt
Beneteau hat nach dem Vorbild der Werft La lou Multi und der von Keni Piperol mit Elium Harz von Arkema gebauten Class40 mit der First 44e das erste Serienboot aus recycelba rem Harz auf den Markt gebracht. «Am Ende der Lebensdauer der Jacht, in 30 bis 40 Jah ren also, werden wir die Glasfaser vom Harz trennen und das Harz für den Bau eines neuen Boots verwenden», erklärt Yann Masselot, der Markendirektor von Beneteau. In der Serien Mini 6.50, die Sam Manuard mit Unterstützung von Mer Concept, dem Rennstall und Ingeni eurbüro von François Gabart, entworfen hat, werden Flachsfasern und Elium-Harz erstmals miteinander kombiniert.

Fountaine Pajot unter Strom
Dass der Umweltaspekt im Bootsbau zur Prio rität geworden ist, beweist auch die alteinge sessene Fountaine-Pajot-Gruppe. Sie geht das Thema frontal an und stellt Nachhaltigkeit in den Mittelpunkt ihrer Unternehmensstrategie. Mit ihrem Plan Odyssea will sie 2024 bis 2030 das Netto-Null-Ziel erreichen. Laut Johan Le Saux, dem Industriemanager der Gruppe, wird dazu eine ganze Reihe von Massnahmen ge troffen: «Die Produktion von Fountaine Pajot und Dufour soll umweltverträglicher werden, indem versucht wird, sauberer zu produzie ren, die Abfälle zu reduzieren und zu recyceln, den Energieverbrauch der Fabriken zu senken und biobasierte Energien zu verwenden.» Das bedeutet auch, dass Lieferanten in der Nähe gefunden werden müssen, denn der Transport hat einen grossen Einfluss auf die CO2 -Bilanz. Die Produktion ist aber nicht alles. Zwar fallen bei einer IMOCA 80 Prozent der Treibhausgase beim Bau an, doch das ist längst nicht überall so. Outremer Yachting und Fountaine Pajot sind sich einig: Bei ihren Booten werden 20 Prozent des CO2 -Fussabdrucks bei der Herstellung und 80 Prozent bei der Nutzung verursacht. Dass Fountaine Pajot die Entwicklung von Elektroan trieben, mit denen bis 2030 sämtliche Jachten ausgestattet werden sollen, mit Hochdruck vo rantreibt und auch im Bereich Wasserstoff in tensiv forscht, ist daher nachvollziehbar. Viel leicht kann das neue Bewusstsein der Werften verhindern, dass noch mehr Segler wie Stanis las Thuret aus ökologischen Gründen mit dem Segeln aufhören. Die Zukunft wird zeigen, ob sie den Kurs rechtzeitig geändert haben und ob der Wandel schnell genug vollzogen wird.